Zum Dichter, der vom Turm aus die Welt gesehen hat

Zu Besuch bei Siegfried von Vegesack



Vegesack-Zimmer im "Fressenden Haus"

Noch lebt er in den Lesebüchern. Weniger in Prosatexten, eher durch seine Gedichte: Siegfried von Vegesack, der aus Livland stammende Dichter, der den Großteil seines Lebens aber im Bayerischen Wald, in Weißenstein bei Regen, verbrachte. In den Buchhandlungen ist er kaum mehr zu finden. Dabei sind seine Romane wie „Das fressende Haus“ immer noch spannend und mitreißend zu lesen. Mit starkem autobiographischen Bezug schildert er darin seinen Don Quichotte-ähnlichen Kampf um das Windrad, das ihm Strom für seinen Wohnturm liefern sollte. Gerne hätte er auch die Bauern von Weißenstein dazu animiert, doch die fühlten nicht in der Lage, dem „spinnerten Dichter“ und seiner Idee zu folgen. Schließlich baute er es nur mit seinem eigenen Geld - aber das Wichtigste: es funktionierte! Eine Geschichte, die auch heute noch Schüler zu begeistern vermag. Besonders dann, wenn sie vor Ort in Weißenstein auf den noch sichtbaren Fundamenten des Windrades stehen, wie die Drittklässler aus Ruderting. Doch dies war eigentlich nicht der Ausgangspunkt der Reise zu Vegesack gewesen. Ein amüsantes Frühjahrsgedicht warder Grund, das man im April auswendig gelernt hatte. Von Staren hatte es gehandelt, die nach dem Winter schwatzend wieder aus dem Süden zu uns zurückkehren. Und da Gedichte besser im Gedächtnis haften bleiben, wenn man das Umfeld des Gedichtes oder seines Erdenkers kennt, war man also in Dichters Lande gefahren. Bald schon stimmte man überein, dass sich diese Reise gelohnt hatte.

Gleich neben dem Platz, an dem das Windrad gestanden hatte, konnten sie Vegesacks Grab besichtigen: auch als Denkmal für seine Hartnäckigkeit und sein Durchhaltevermögen interessant. Lange hatte er sich zu Lebzeiten mit den Behörden herumschlagen müssen, um (s)eine Wunsch-Grabstätte zu erhalten: auf der Anhöhe über Weißenstein, in direkter Nachbarschaft zu seinen Hunden.

Nach so vielen Erfahrungen außerhalb drängte es sodann die Kinder, das „Fressende Haus“, Vegesacks Turm, von innen zu sehen. Es traf sich gut, dass die Schüler unterwegs dorthin einige Bewohner von Weißenstein trafen und sie über Vegesack und ihr Dorf fragen durften. Schließlich hatten sie auch im Unterricht Auszüge aus Vegesacks „Das Dorf am Pfahl“ gelesen, in dem er über die bittere Armut der Dörfler geschrieben hatte. Im Turm interessiert das sogenannte Vegesack-Zimmer, das mit Original-Utensilien des Dichters ausgestattet ist, am meisten. Die Rudertinger hatten zudem um eine Sondererlaubnis gebeten und sie erhalten: Sie durften diese Originalstücke für schauspielerische Zwecke verwenden. Jeweils ein Kind also mimte Vegesack: am Schreibtisch, das Gedicht „Die Stare sind da“ bearbeitend; mit Rucksack wandernd (Vegesack wanderte leidenschaftlich gerne); Pfeife rauchend am Tisch, ein Gedicht sprechend.

Diese Aktion sollte ein Versuch sein, Vegesack vor allem emotional näher zu kommen und ihn zu verstehen. Es zeigte sich, dass ein Dichter wie Vegesack auch heute noch Grundschüler packen kann. Diese erste Literaturfahrt schloss mit dem Überkraxeln des „Pfahles“ sowie der Besteigung der Burgruine.