Die Comenius-Regio-Projektpartner aus Passau und dem Landkreis Passau waren zu einem Arbeitsbesuch in Nordfinnland
Zu einem eindrucksvollen Erlebnis pädagogischer Art wurde der Besuch der Passauer Comenius-Regio-Gruppe bei den finnischen Partnern rund um Haapajärvi in Nordfinnland. Als Highlights erwiesen sich die Einblicke in die vier Partnerschulen des ländlich geprägten Raumes und in drei städtischen Büchereien. Neben der überbordenden Gastfreundschaft waren es vor allem die Art und Weise des praktizierten Schullebens sowie die Schwerpunktsetzung einer jeden Schule, die Erstaunen bei den Gästen hervorriefen. Ganz besonders aber interessierten sich die Passauer für die finnische Umsetzung des gemeinsamen Comenius-Regio-Leseprojektes, das auf die Motivierung der Schüler zum verstärkten Lesen von Kinder- und Jugendbüchern abzielt.
Unter dem Blickwinkel der Frage „Was machen die Finnen eigentlich anders, um bei PISA Erfolge in Serie feiern zu können?“ waren Vertreter der Mittelschule Salzweg, der Grundschulen Haselbach und Witzmannsberg sowie der Bücherei Haselbach unter der Leitung von Schulrätin Johanna Buchberger-Zapf nach Finnland aufgebrochen. So manche Entdeckung rief Bewunderung hervor.
So sind in den kleinen Dorfschulen Kombiklassen Prinzip. Hierbei umfasst eine Klasse im Durchschnitt etwa zwölf Schüler. Der Klassenlehrer wird sehr oft noch von einer pädagogischen Hilfskraft unterstützt. Die Grundschule Emolahti beispielsweise besteht zurzeit aus 25 Kindern, zwei Lehrern, und zwei Hilfskräften. Da es im kommenden Schuljahr 36 Schüler sein werden, wurde dieser Schule ein weiterer Lehrer zugesagt.
Die Anerkennung und Unterstützung der Lehrer seitens der Gesellschaft ist traditionell hoch, was die pädagogische Arbeit entschieden erleichtert und auch zu einer respektablen Unterstützung durch den Schulaufwandsträger führt. So hat der Schulleiter von Venetpalo für seine 42 Schüler ein Jahresbudget von 20.000 Euro für den Einkauf von Büchern, Computern und sonstigen Materialien zur Verfügung, ein vergleichsweise hoher Betrag.
Den Eltern obliegt es lediglich, für eine passende Schultasche ihres Kindes zu sorgen. Für alles andere kümmert sich die Schule. Das schließt also auch Hefte, Bleistifte und Radiergummi ein.
Dasselbe gilt auch für den Mittagstisch. Kein Schüler, der ohne vernünftiges Essen nach Hause geschickt werden würde; auch wenn der Unterricht manchmal nur bis um ein 12:30 Uhr dauert.
Mag die Schule auch noch so klein sein, mindestens ein Klavier findet sich immer – und ein Lehrer, der darauf spielen kann. Musik hat in Haapajärvi einen hohen Stellenwert.
Zu jeder Schule gehört auch ein Waldstück, in dem man nicht nur Tiere und Pflanzen erforschen, sondern auch Waldspiele machen, Würstchen am Lagerfeuer braten und übernachten kann.
Die technische Ausstattung der Schulen verdient oftmals Bestnoten. Auch wenn das Gebäude – meist ein gemütlicher Holzbau – bisweilen klein ist, findet sich immer Platz für eine stattliche Anzahl von Computern. Selbstverständlich sind alle an das Internet angeschlossen. Im Augenblick befasst man sich intensiv mit dem Gedanken, interaktive Whiteboards anzuschaffen.
Bezüglich des gemeinsamen, von der EU geförderten Projekts, durchleuchtete das finnisch-deutsche Lehrerteam die bisherige Arbeit und diskutierte über die Weiterführung im nächsten Projektjahr. Grundsätzlich wird die eingeschlagene Richtung beibehalten, gewisse Korrekturen erscheinen jedoch notwendig, so der Tenor auf beiden Seiten.
Die eigentliche Lese-Projektarbeit verläuft auf zwei Ebenen: des Methoden-Vergleichs sowie der konkreten Arbeit mit den Schülern in der Klasse.
Die auf einer speziellen Webseite erfolgende Sammlung von Lese-Methoden aus Finnland und Deutschland wird als sehr gewinnbringend betrachtet. Der inzwischen erreichte ansehnliche Fundus erfreut. Man vereinbarte, ab dem neuen Schuljahr die direkte partnerschaftliche Arbeit zwischen den einzelnen Lehrern und Klassen zu verstärken und jegliche neue Idee in die Dokumentation aufzunehmen.
Rund um das Basispaket von zwanzig Lektüre-Büchern werden zur Erschließung im Unterricht vertraute Methoden angewandt, wie das Erarbeiten eines Buches anhand einer Arbeitsblatt-Serie, aber auch neue Wege probiert, die teilweise bereits Ergebnisse des Gedankenaustausches innerhalb des aktuellen Projektes darstellen. Grundlegende Unterschiede in der Lese-Methodik konnten allerdings bisher nicht ausfindig gemacht werden. Auffallend auf finnischer Seite war jedoch die intensive und konsequente Zusammenarbeit der Schulen mit der Bücherei in Haapajärvi. So fährt der Bücherbus wöchentlich einmal an jeder Schule vor und lädt die Kinder zum Büchertausch ein. Konsequent durchgeführt wird auch die Aktion „Lesediplom“, die von jedem Schüler erwartet, in jedem Schuljahr sechs Bücher aus einer passenden Auswahl zu lesen.
Auf die Unterstützung durch die digitale Welt setzt die Passauer Gruppe mit dem Internet-Leseportal Owlfinch, das eigens hierfür entwickelt worden ist. Bei diesem Programm liegt der Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit im Bereich Lesen und Literatur. Schüler beider Länder sind hier in ihrer jeweiligen Muttersprache an denselben Büchern beschäftigt. Punkte bekommen die Schüler hierbei jedoch nur, wenn sie in der Teamarbeit erfolgreich waren. Im neuen Schuljahr wird es auch für Owlfinch eine zweite Version geben, die dann dank der Vorschläge aus Finnland eine Reihe von Verbesserungen enthalten wird.
Insgesamt entwickelt sich das Comenius-Regio-Projekt, bei dem nicht einzelne Schulen, sondern Regionen im Mittelpunkt stehen, nach Wunsch. Die Hoffnung ist groß, dass durch die Bündelung an Erfahrung, an Engagement und kreativem Gestalten schließlich neue Lese-Wege sich eröffnen, die an andere weitergegeben werden können. Dass nebenbei auch noch der europäische Gedanke kräftig Schub bekommt, ist ein höchst willkommener Effekt.