Februar 2014, Albert Hoffmann
„Nachhaltigkeit“ hat sich in den letzten Jahren neben seinen Bedeutungen in Wissenschaft, Forstwirtschaft und Politik auch zu einem zentralen didaktisch-pädagogischen Begriff entwickelt. Hier erfährt es Anwendung in seinem ursprünglichen Sinn, der, abgeleitet von dem Verb „nachhalten“ „längere Zeit andauern oder bleiben“ meint.
Nimmt man zu „Nachhaltigkeit“ den hier als Gegensatz zu verstehenden Begriff „Event“ dazu, so lassen sich damit die allseits gebräuchlichen Methoden der schulischen Leseförderung gut strukturieren und schließlich auch bewerten.
Leseaktionen mit Eventcharakter erfreuen sich in vielen Schulen großer Beliebtheit, schaffen sie doch einen emotionalen Höhepunkt im Schulalltag, ohne die ein Schuljahr totlangweilig wäre. Nicht zu vergessen die sich bietende Chance, einen größeren Artikel in der Tagespresse landen zu können.
Ein typisches Beispiel hierfür ist die „Lesenacht“. Deren hauptsächlicher Effekt besteht in dem Ansprechen der Schüler mit all ihren Sinnen. Das mag aus pädagogisch-erziehlichen Gründen durchaus sinnvoll sein; dass sich dadurch dauerhafte Leseaktivitäten einstellen, ist jedoch mehr als fraglich.
Welche Schule veranstaltet nicht eine „Lesewoche“ mit Autorenlesung, Buchausstellung, Vorleseaktion durch Bürgermeister oder Bankdirektor und Basteln von Lesezeichen? Die Wunschvorstellung: der Einmalerhitzer macht aus lesemüden Schülern hochmotivierte Leser. Welcher Trugschluss!
Die Lese-Event-Reihe ließe sich fortsetzen: Kinobesuche (Literaturverfilmung), Theaterbesuche (Klassiker!), Vorlesen älterer Schüler in der Grundschule, Vorlesen von Schülern im Altersheim, der jährlich stattfindende Vorlesewettbewerb, Buch-Kunst-Aktionen mit Künstlern usw. Beenden wir diese Aufzählung und fragen uns lieber staunend, warum so manche Schulleiter und Lehrer sich damit zufrieden geben – und die entsprechende Lehrplanvorgabe „Leseförderung“ damit als „erledigt“ ansehen.
Um nicht missverstanden zu werden: Auch „events“ haben ihre Daseinsberechtigung an Schulen, doch der Wunsch nach dauerhafter Wirkung, insbesondere beim Lesen, ist elementar. (Haben die Psychologen nicht schon immer auf die Notwendigkeit der beständigen Wiederholung hingewiesen?)
Und genau auf diese zielt die Vorstellung von „Nachhaltigkeit“ ab. Da hat eine Grundschule in einem leer stehenden Klassenzimmer ein opulent ausgestattetes „Lesezelt“ aufgebaut. Die Schüler sitzen in einer kleinen Arena um das Vorleser-Podest herum. Auf diesem steht ein bequemer Plüschsessel. Die Beleuchtung ist dem Lese-Ereignis angepasst und auf den Vorleser fokussiert. Hier ist es den Schülern fast unmöglich, nicht aufmerksam zu sein. Die Klassen kommen zu dieser „Feierstunde“ fest nach Stundenplan einmal die Woche hierher, mal liest der Lehrer vor, mal die Kinder. Das Zelterlebnis ist so dicht, dass für Lehrer und Schüler diese Stunde als eine Art Wellness betrachtet wird.
Interessant, dass schlichtes Vorlesen im normalen Klassenzimmer als Methode in Finnland und Österreich bis in die heutige Zeit gepflegt wird. Niemand, der das in Frage stellen würde; niemand, der ob der „verlorenen Unterrichtszeit“ jammert! Die Betonung liegt auf regelmäßigem Vorlesen.
Weitere Dauerbrenner in Sachen Nachhaltigkeit: Permanente Bücherausstellungen im Schulhaus, Schulbücherei im Eingangsbereich des Schulhauses, eine/n eigene/n Bücherei-BetreuerIn, eine feste Lesestunde in der Stundentafel, regelmäßig agierende Lesepaten, regelmäßige Beschäftigung mit Literatur-Themen im Unterricht.
Als äußerst bedeutsam für die Nachhaltigkeit entwickeln sich zusehends Internet-Leseprogramme. Dank ihrer Motivationskraft, ihrer permanenten Erreichbarkeit, ihren Analyseinstrumenten, ihrer Fähigkeit, die Schüleraktivitäten zu erfassen und zu notieren, ihrem Angebot zur Selbsttätigkeit der Schüler (Antolin.de/ Owlfinch.com) –
oder der herrlich-teilanimierten, bildbetonten Geschichten, die mit dem Lehrer zusammen erlebt und (laut) gelesen werden (Onilo.de). Es wäre viel zu schade, ein Programm wie Onilo, das Kindern mit so viel Wärme und Emotionalität Zugang zu Büchern verschafft und ihnen die Wunderwelt der Geschichten aufschließt, nur im Bereich des Events sehen zu wollen (obwohl es auch diesen Part übernehmen könnte). Onilo hat die Qualität und die Energie, den Kindern Bücher als “Genussmittel“ nahezubringen. Wie sagte doch einmal eine Lehrerin: „Am Freitag lesen wir (=Klasse und sie) mit großer Vorfreude Onilo-Boardstories, dann gehen wir in locker-heiterer Stimmung ins Wochenende.”