Kinderreporterteams (Klassen 4 & 5) aus Berlin unter der Leitung von Frau Dr. Tanja Kasischke haben mir für den Blog lesefoerdern.de Fragen gestellt und ich habe geantwortet:
Wir haben gelesen, dass Sie als Lehrer gearbeitet haben. Das hat uns an Otfried Preußler erinnert, der als Lehrer anfing, Geschichten zu schreiben. Sie haben sich aufs Lesen spezialisiert. Gab es dazu einen besonderen “Geistesblitz”?
Albert Hoffmann: Mein riesengroßer Wunsch war es, Kinder zum Lesen zu motivieren. Videos, youtube und Filme aller Art machten mir es aber verflixt schwer, sie vom Lesen zu überzeugen. Doch dann ein Lichtblick. In den USA, als ich eine ganze Reihe Schulen besuchte und sah, das man Buch-Lesen in intelligenter Weise mit dem so heiß geliebten Computer verbinden kann.
Als Sie Kind waren, kannte man das Wort Leseförderung noch nicht. Wer hat bei Ihnen in der “Leseförderung” eine Rolle gespielt? = Ihnen vorgelesen, Sie in die Bibliothek geschickt usw.
Es waren einfach die Bücher, die bei uns zu Hause herum lagen: Märchen-, Sagen- und Fabelbücher, auch Weihnachtsbücher oder Gedichte-Sammlungen. Die große Begeisterung kam aber erst später. Zuerst Zeitschriften, Zeitungen, Kalendergeschichten.
Welches Buch hatten Sie als Kind als Lieblingsbuch? Warum?
Mein Lieblingsbuch war “Brüderchen und Schwesterchen” (Brüder Grimm). Warum? Ach, das weiß ich gar nicht. Vielleicht war es eine Kombination aus dem schön gemachten Buch, den großformatigen Bildern und der aufwühlenden, fast schon traurigen Geschichte mit dem guten Ende.
Sie waren als Lehrer in Malaysia. Und Sie kennen die USA. Wie funktioniert Leseförderung in anderen Ländern oder gibt es das dort gar nicht?
Amerikanischen Privatschulen sind einfach klasse, was Lesen und den Umgang mit Literatur betrifft. Als unsere Tochter in Kuala Lumpur (Malaysia) auf eine solche Schule kam, war ich als (deutscher) Lehrer elektrisiert von dem, was ich hier zu sehen bekam: eine riesige Schulbibliothek, die räumlich und pädagogisch das Herz der großen Schule war. Mit festangestellten Bibliothekar*Innen, mit Internet-Computern, Druckern, Kopierern, Plakatbögen, Stiften, Scheren, Klebern, Nebenräumen für Schülerprojekte, zwei, drei Buchregalen, voll mit “Büchern” von Schülern, die in Projektarbeiten entstanden waren. Außerdem kamen täglich eine ganze Reihe Eltern (freiwillig, unbezahlt) in die Bibliothek, um mit Einzelschülern zu lernen (Lesen, aber auch Mathematik), wie es die zuständige Lehrkraft aufgetragen hatte. In den “freien Lesestunden” (nach Stundenplan) kam so manche Klasse in diese Traum-Bücherwelt, um nach Herzenslust zu stöbern und zu lesen. Jeder für sich, jeder nach Lust und Laune; mal mit projektauftrag, mal nicht.Alles in allem: ein Ort, an dem es von verschiedensten Aktivitäten, freiem Lernen, kreativen Tätigkeiten nur so gebrummt hat.
Auf einer Skala von eins bis zehn: Was bringt eine Schulbibliothek?
Zehn
Was bedeutet der Name “Antolin”? Haben Sie den erfunden?
Antolin ist ein spanischer Vorname. Er hat uns gefallen, weil er leicht auszusprechen war (für Deutsche, Franzosen, Engländer und alle anderen) und weil er mit A anging (wie Amazon). Damals hatte das noch eine gewisse Bedeutung im Internet.
Warum ist das Maskottchen ein Rabe mit Karnevalsmütze?
Der Rabe gilt als ein intelligentes Tier, die rote Mütze hat nur dekorative Zwecke. (Hat sich unser ältester Sohn Raphael ausgedacht, er ist momentan Senior-Manager bei Google im Silicon Valley.)
Sie haben in einem Interview verraten, dass Sie viele der Bücher für Antolin selbst ausgewählt haben. Wie viele Bücher haben Sie denn so gelesen?
So genau weiß ich das natürlich nicht. Es sind aber definitiv mehr als 15.000. Ist aber keine so große Sache, schließlich bekommen meine Frau und ich fast alle in deutscher Sprache erscheinenden Kinder- und Jugendbücher ins Haus geliefert (Von hier verteilen wir sie an die Antolin-Autoren). Bei so vielen tollen Büchern ist man immerzu geneigt zu lesen, lesen, lesen …
Wir haben mit Tanja besprochen, warum man trotzdem weiter Bücher lesen soll, auch wenn es viel im Internet gibt und einige von uns schon ein eigenes Tablet haben. Was würden Sie sagen: Was kann ein Buch, was das Internet gar nicht oder weniger gut kann?
Computer und Internet sind eine supertolle Erfindung. Allerdings kann ich an diesem Gerät leider nicht so intensiv, entspannend lesen. Ich bin immer geneigt, gerade mal die Überschriften zu lesen, dann wieder einen Text zu “überfliegen”, von einem Thema zum anderen zu hüpfen – am Ende bin ich oftmals ein bisschen nervös und unzufrieden. Lese ich ein (gutes) Buch mit interessantem Inhalt, dann schaltet der Körper automatisch auf tiefe Konzentration, auf Abkapseln von der Welt auf Entspannung. Höre ich mit dem Lesen auf, macht sich ein wohliges Glücksgefühl in mir breit.
Wenn Eltern selbst nicht gerne lesen oder nicht gut lesen können, weil sie Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben, was können die tun? (Antolin ist ja nur für Kinder)
Habe da nicht sehr viel Erfahrung, meine aber: Sie sollen mit ihren Kindern lesen, sich für die Bücher der Kinder interessieren, über die Bücher sprechen, sich neue Bücher holen, sich immer wieder mit den Kindern in der Bücherei aufhalten, auch nach Büchern ihrer Muttersprache suchen, lesen, vorlesen, mit ihren Kindern hierüber sprechen, vielleicht sogar nach einem entsprechenden deutschen Buch suchen. Viele Grimm-Märchen gibt es ja in vielen Ländern, manchmal etwas abgewandelt. Das Vergleichen solcher Geschichten macht auch viel Spaß. Auch den “Till Eulenspiegel” gibt es in so manchen Ländern. In der Türkei heißt er Hodscha Nasreddin.
Wie häufig sollte man in Klasse 4 jede Woche zu einem Buch greifen?
Zweimal, dreimal ist super. Manche schaffen sogar noch mehr: wunderbar!
Soll man Zuhause auch laut lesen oder reicht es leise?
Wenn du zu Hause bist und nur für dich liest, dann reicht leise.
Wo ist Ihr Lieblingsleseplatz?
Auf der Couch im Eck, unter der Leselampe, mit einem Glas Tee oder Wein. (Wein ist aber gefährlich, man schläft schnell ein.)
Wenn Sie von dort aus in ein Buch Ihrer Wahl hüpfen könnten, und in der Geschichte mitmachen, welches wäre das?
Unterschiedlich, das wechselt. Aktuell sind es: “O du fröhliche Entführung” (Kirsten Boie), “Einstein” (Torben Kuhlmann), “Mein Weg zum Fußballprofi” (Thomas Müller) und “Griechenland” (Carole Saturno).