Leise, liebevoll, fast poetisch führen die Worte und Bilder den Leser durch das Bilderbuch: “Weißt du, mein kleiner Matrose, es wird ein Weile dauern, die Insel zu finden”, hatte mir meine Mama zu beginn des Abenteuers erklärt. “Aber meine Piratenmannschaft ist ein starkes Team und der Kapitän ein erfahrener Seebär!”, hatte sie mit einem Augenzwinkern hinzugefügt.
Im Bild nebenan schreitet die Mama des Kleinen tapfer auf die Gangway des Piratenschiffs zu, dessen Mannschaft so gar nicht nach Piraten aussieht. Ärzte in weißen Kitteln stehen an Deck und erwarten sie. Nach Lächeln ist hier niemandem zumute. Verständlich, denn das Piraten-Szenario trügt. Mama ist zu wöchentlichen Check-up ins Klinikum bestellt. Sie hat Brustkrebs und ist noch lange nicht über den Berg.
Die Wirkung dieses Buches vervielfacht sich, wenn man über die Autorin, Karine Surugue, Folgendes weiß: Sie selbst ist diese Mama (mit 43 Jahren), die gerade durch die Hölle auf Erden geht. Und sie, die Montessori-Lehrerin im Umfeld von Paris, will diesen dramatischen Krankheitsverlauf ihrem vierjährigen Sohn mitteilen. Aber wie macht man so etwas?
Kindgemäß soll die Vermittlung sein, der Wahrheit entsprechend, nicht zu trostlos, mit einem Funken Hoffnung.
Da die Mama weiß, dass ihr Sohn begeistert ein Piratenbuch verschlingt, baut sie ihren “Fall” in diese Subkultur ein: Jeden Donnerstag geht sie auf die Reise, um die Schatzinsel zu finden. Nicht immer ist die See ruhig. Immer wieder nähern sich ihrem Schiff Seeungeheuer, die es abzuwehren gilt. Ihr Körper weist Narben auf; klar, echte Piraten haben Narben. Hin und wieder muss sie sich übergeben, das kommt von der Seekrankheit. Sie lässt sich ihre Haare abrasieren und trägt stattdessen Seeräubertücher. Verständlich, Piraten machen das so. Und dass Mama öfter sehr müde ist und sich hinlegen muss, versteht der Kleine auch. Seeräuberei ist einfach wahnsinnig anstrengend.
Der Kampf aber lohnt sich. Am Ende findet Mama mithilfe der Arztpiraten die Schatzinsel und vertreibt all die Seeungeheuer.
Karine Surugue lässt in einfühlsamer, faszinierender Weise ihren Sohn Anteil an ihrer Krankheit haben. Nicht nur das, er darf fest davon ausgehen, dass er seiner Mama, die so mutig und tapfer kämpft, helfen kann. Nicht das Leid steht im Mittelpunkt, sondern das ernsthafte Ringen mit der Krankheit und die Hoffnung auf ein gutes Ende. Schließlich findet Mama die Schatzinsel – und der Jubel des Kleinen ist unbeschreiblich. Surugues Text und Rémi Saillards Illustrationen summieren sich zu einer atemberaubenden Einheit.