Immer wieder erstaunt man aufs Neue darüber, was manche Verlage an Mut und Wagnis im Kinderbuchbereich aufbringen. Ein so inhaltlich und musikalisch gewaltiges, umfangreiches Musikstück wie das Oratorium von Händel in Bilderbuchform Grundschulkindern anzubieten, gleicht einem kühnen Abenteuerritt. Das kann nur gelingen, wenn die didaktische Aufbereitung für die kleinen Leser und Hörer überzeugend rüberkommt. “Hörer” deswegen, weil diesem Buch eine CD mit wichtigen Ausschnitten des Oratoriums beiliegt.
Antons Großvater, der lebenslustige Mann, kommt ins Nachsinnen, als er mit seinem Enkel am Fenster steht und die herbstliche Stimmung der Natur betrachtet. Im abendlichen Wohnzimmer bei Kerzenschein kommt das Gespräch der beiden wieder auf das Vergehen und Werden der Natur. Der Großvater weiß von G.F. Händel und seinem Oratorium: Der erste Teil berichtet vom Traurigsein und Warten und Hoffen. Doch am Ende erzählt es von der wunderbaren Freude, wenn wieder das Licht in der Finsternis auftaucht und alle erlöst.
Natürlich gehen sie ein paar Tage später hin in die Martinskirche, zur Aufführung des 1. Teils des “Messias”. Sie fahren nicht mit dem Auto, sie gehen. Durch Schnee und den nächtlich-dunklen Wald. Opa will es so, da kann er ihm noch etwas von dem großen Komponisten erzählen, der sich kränklich, erschöpft und lustlos fühlte, als er sich an dieses Oratorium machte. Doch eine Einladung aus Dublin gab ihm all seine Lebensfreude zurück.
Bei so einem vertrauten Gespräch kann es schon vorkommen, dass es ins Philosophische abschweift. Traurige Phasen erlebten die Menschen auch früher; gut, dass so Propheten wie Jesaja auftauchten und von der Herrlichkeit Gottes berichteten, die auf die Erde kommen soll. Als die beiden schließlich aus dem Wald treten, fällt ihr Blick auf die festlich beleuchtete Kirche. “Das Volk, das im Dunkeln wandelt, sieht ein großes Licht”, fällt Opa hierzu ein.
Das Konzert in der Kirche ist Höhepunkt und Abschluss der Einführung zum “Messias” zugleich. Auf dem Schoß seines Großvaters fühlt sich Anton wie “eingehüllt in eine jubilierende Schar von Engeln”.
Die Hinführung zu diesem Oratorium der Hoffnung gelingt Rudolf Herfurtner, dem Autoren, meisterlich. Die ausdrucksstarken Bilder von Anna Severynovska bestätigen das Gesagte unaufdringlich, sensibel. Sie sind Teil der Gesamt-Komposition aus Hörgenuss, liebevoller Erzählung und großflächigen, stimmungsvollen Illustrationen. Ein Buch wie ein festlicher Weihnachtsabend.