Wie man die Welt und sich selbst verbessert

Weltverbessern für Anfänger
von Stepha Quitterer
Gerstenberg Verlag
ISBN: 9783836960243

Pflegeheim und eine Sekundarklasse von heute, Demenz und laxer, schnörkelloser Jugendjargon. Wo ist da die geistige Brücke? Kann man aus so einen Plot einen schicken Jugendroman basteln? Man kann, dieses Buch ist der Beweis: ausgesprochen unterhaltsam, witzig und mit Tiefgang. Ein Zufall?

Keineswegs. Stepha Quitterer, die Autorin, kann auf einen mächtigen Vorläufer verweisen: auf Nicky Singers “Norbert Nobody oder das Versprechen” (USA, 2002). Zeitgleich mit “Weltverbessern für Anfänger” erschien ein weiterer Jugendroman zu selbigem Grundthema: “Irgendwo ist immer Süden” von Marianne Kaurin (Norwegen). Allesamt sind sie Leuchttürme ihres Genres: Bücher, die sehr überzeugend die Begegnung zweier Extreme als Win-Win-Deal für beide darstellen.

Stepha Quitterer übertrifft jedoch die oben genannten Bücher an schnoddriger und flapsiger Jugendsprache. Ihre Kreativität schießt impulsiv ein Wort-Feuerwerk um das andere ab. Man kann ihr geradezu beim Erfinden neuer Wörter zusehen. 

Dank des gut betuchten Geschäftsmannes Kanauer ist Minnas Schule in der Lage, jedes Jahr einen Wettbewerb auszuloben. Der Attraktivität des Hauptpreis können sich die Schüler nicht entziehen, sie beteiligen sich mit Begeisterung. Dieses Jahr darf sich die Siegerklasse auf eine Klassenfahrt nach Tallinn freuen. Kanauers Thema heißt “Weltverbessern für Anfänger”. Darunter lässt sich eine Unmenge verstehen. Dass Minnas Klasse, die 8b, als besonders schwierige Klasse wegen einer Reihe von zur Hysterie neigenden Egoisten, unangenehmen Cliquen, Wichtigtuern mit rechthaberischem Getöse gilt, macht die Sache nicht leichter. 

Beharrlich, agil und diplomatisch versucht Minna, die eine einschneidende Erfahrung gemacht hat, als sie kürzlich ihre Oma im Pflegeheim besuchte, ihre Mitschüler zu bewegen, “Weltverbessern” als “konsequentes Besuchen von alten Menschen in einer solchen Einrichtung” zu verstehen. 

Minnas Aufgabe erweist sich alles andere als leicht. Und doch gelingt es ihr, Schritt für Schritt jeden Einzelnen ihrer Klasse mitzunehmen. Eine umso größere Leistung, als die Erfahrungen im Heim selbst weiß Gott nicht immer nur angenehm sind. Aber irgendwie finden ihre Mitschüler so nach und nach Gefallen an diesen Besuchen. 

Nicht nur das, das eigentliche Wunder findet innerhalb der Klassengemeinschaft statt. In der anfangs heillos zerstrittenen Gruppe findet – o Wunder! – ein gruppendynamischer Wandel zum Positiven statt. Man sieht auf einmal die Qualitäten des anderen und entdeckt den Wert des Miteinanders. 

Gerade diese Erkenntnis, zu der Stepha Quitterer ihre jungen Leser führt, macht den eigentlichen Wert dieses Buches aus. Die konkrete Aktion geht einher mit einer geistigen Entwicklung. Das dauert, es gibt Rückschläge und Enttäuschungen, aber es geht beharrlich vorwärts, die Richtung ist angezeigt. Da können noch so viele Scherze, Kalauer und Witze links und rechts davon gemacht werden, das Ziel steht allen bald klar vor Augen. Okay, die kostenlose Klassenfahrt spielt auch eine Rolle, aber die Einsicht, dass ihr Einsatz bei den alten Menschen unendlich sinnvoll ist, wächst stetig. Dass am Ende die Reise nach Tallinn gewonnen wird, wird als schön empfunden, aber so ganz entscheidend ist sie nicht mehr.

Stepha Quitterer verschafft sich mit diesem Erstlingswerk einen erstaunlich kräftigen Eintritt in die Phalanx der deutschen Kinder- und Jugendschriftsteller. Sie hat Sprache, Eigenheiten und Gefühlswelten der heutigen Jugendlichen sicher im Blick, bleibt dabei aber nicht stehen, sondern zeigt Wege der Orientierung auf.

Die Autorin steht erst am Anfang ihrer Karriere. Man traut ihr gerne zu, dass sie bei ihrem nächsten Buch Kleinigkeiten verändert, wie die manchmal überlangen Sätze, die zu häufigen neuen Wortschöpfungen, die zu vielen Metaphern und Eigenschaftswörter, vielleicht auch so manchen Ausdruck aus dem Bereich der Fäkalsprache oder – was den Umfang des Buches betrifft – sich kürzer fasst. 

Wir wünschen der niederbayerischen Autorin alles Gute für die Zukunft. Geschick und Können hat sie mit diesem Buch bewiesen, das Glück steht ihr hoffentlich bei.   

Die Buchbesprechung erschien in der Passauer Neuen Presse vom 18. Mai 2020.

Mit „Silberwind“ ins Land der Träume

Silberwind, das weiße Einhorn: Die Magie der Meermädchen
von Sandra Grimm
Loewe-Verlag
ISBN: 9783743200609

Mädchen mögen Ponyhöfe, Rauschgoldengel, Silber und einen Schuss Magie, heißt es. In dieser ach so schönen Welt agieren fantastische Wesen wie sprechende, mitdenkende und mitfühlende Einhörner, auch Gestaltwandler, die von einer Wesensart in eine andere wechseln können sowie die reinen Menschen und die eindeutigen Fantasy-Typen.

Jana besitzt ein Einhorn, damit ist sie ihren Freunden überlegen. Das gute Verhältnis zu ihnen leidet allerdings nicht darunter. Das Ausreiten in die sonnenbeschienen Wiesen und den Frische spendenden Wald wird in Zukunft jedoch kaum mehr in dieser Form möglich sein, denn am stillen Waldsee wird die Landschaft umgebaut. Ein Ferienpark für Einheimische und Touristen geht gerade seiner Vollendung entgegen.

Das stört Jana allerdings im Prinzip nicht, lediglich die seltsame Veränderung in Merian, einer Gestaltwandlerin, macht ihr zu schaffen. Sie hat aufgrund ihres feinen Magiesensors Besorgnis im See ausgemacht. Drei Meermädchen fühlen sich plötzlich hier gefangen. Ein Rückweg in ihre eigentliche Heimat verhindert ein jetzt zugemauerter Zufluss.  Zum Glück finden Jana und ihre Freunde für die Meermädchen eine Lösung.

Mit dieser Buchreihe finden Grundschul-Mädchenträume Erfüllung. Die Elemente, die hierfür gebraucht werden, sind vorhanden: vom weißen Pferd bis zu den magischen Kräften. All dies macht die Szenerie weicher, leuchtender, rosaroter. Kitschig? Aber hat ein solcher Zugang zum Buch nicht auch seine Berechtigung? Immer schon verglich man Lesen mit einer Fantasiereise in die Traumwelt. Hier wird sie geboten. Ach ja, der Gedanke einer möglichen Umweltzerstörung am stillen Waldsee taucht in diesem Buch nicht auf.

Jacky Marrone, der Detektiv, der mit technischer Raffinesse und gesundem Fuchs-Verstand gewaltige Erfolge einfährt

Jacky Marrone rettet die drei kleinen Schweinchen
von Franziska Biermann
dtv junior
ISBN: 978-3423762410

Keine Frage, im Tierreich angesiedelte Detektivgeschichten haben ihren eigenen Reiz. Und niemand eignet sich als Detektiv wohl besser als ein Fuchs, dem doch in Märchen und Fabeln so viel Schläue attestiert wird.

Die Ereignisse, die auf Jacky Marrone, den ausgekochten Detektiv hereinbrechen, überschlagen sich. Doch er versteht sein Handwerk. Keiner zeigt sich für ultramoderne, technisch-raffinierte Ermittlungsmethoden so aufgeschlossen wie er: Sein Helm ist in der Lage, Gedanken zu lesen und sein Fahrrad besitzt einen Knopf für den Autopilot-Modus. Aber der große Jacky Marrone weiß auch psychologisch richtig vorzugehen. Tipps von Alice, einer Katze, die unter anderem einen exklusiven Laden für Detektiv-Ausstattung führt, nimmt er gerne an und sichert sich dadurch ihren Beistand.

Die drei kleinen Schweinchen aus dem berühmten englischen Märchen sind in Not. Sie, die erfolgreichen Bauunternehmer werden systematisch von einem Phantom, einem Wesen in Schwarz, zu nächtlicher Stunde attackiert. Zum Glück gelingt es Jacky dieses Ungeheuer mit einem Netz aus Lichtstrahlen zu enttarnen: den Wolf. Damit aber nicht genug. Als der Wolf seine Leidensgeschichte schildert, die seine Wurzeln im berühmten Märchen hat, muss der geniale Jacky tief in die psychoanalytische Trickkiste greifen, um eine Lösung herbeizuführen.

Franziska Biermann gelingt es meisterlich, mit dieser Buchreihe, die voller Schwung und Verrücktheiten, voller Witz und knallbunter Ideenfülle erzählt wird, die Grundschüler, denen diese Geschichten zugedacht sind, bei Laune zu halten.

Wer “abhängen” falsch versteht, hat sich verraten.

Die Vampirschwestern (black und pink): Vampirjagd beim Schulfest von Nadja Friedrich
Loewe-Verlag
ISBN: 978-3743205185

Vampira kommen aus Transsilvanien, logo. Halbvampire auch. Was ein  Halbvampir ist? Nun ja, das ist ein Wesen, von dem ein Elternteil ein mensch, der andere ein Vampir ist. Das Zusammenleben beider Wesen – darum geht es bei dieser Buchreihe – ist an sich kein großes Problem. Etwas aufregend allerdings wird es, wenn bei einem Schulfest in Deutschland auch Vampire und Halbvampire mitfeiern. Der Knaller ist dann erreicht, wenn so ein Halbvampir von seiner Wesens-Zugehörigkeit keine blasse Ahnung hat.

Beim Schulfest in Bindburg passiert all das. Zum Glück sind Silvania und Dakaria, die Zwillinge und Halbvampire aus Transsilvanien anwesend. Sie fühlen sich befähigt, Vampir-Tests durchzuführen. Bei der geheimnisvollen Luna scheint das bitter nötig zu sein.

Luna verrät sich letztlich selbst, so dass der eigentliche Test nur mehr eine doppelte Bestätigung ist. Das jugendliche Modewort “abhängen” hat für Halbvampire eine weitere Bedeutung. Luna hat jedenfalls einen klaren Hinweis auf ihr Halbvampir-Wesen gegeben, als sie plötzlich kopfüber an einer Tafel in einem Klassenzimmer hängt und zufrieden aussieht. “Ist echt bequem, so abzuhängen”, meint sie.   

Eine munter-heitere Geschichte, die nie langweilig wird. Dafür sorgen Silvania, Dakaria und Luna. Große Überraschung, als Lunas Vater erfährt, dass er mit einer Vampirfrau verheiratet ist.

Menschen und Vampire leben miteinander, wissen aber immer noch zu wenig voneinander. Das birgt Spannung. Gepaart mit Witz, Gruselelementen und der erfrischenden Unbekümmertheit der Halbvampir-Schülerinnen ergibt Stoff für kurzweilige Lesestunden. Insbesondere Mädchen werden daran ihre Freude haben.

Die Purzelbäume der Hasenkinder

Wenn Hasen gute Laune haben
von Axel Scheffler und Frantz Wittkamp Beltz&Gelberg
ISBN: 9783407754745

Zeigt sich Ostern am Horizont, tauchen in den Regalen die neuen Osterbücher auf. Der Blick fällt auf Osterhasen-Familien, Waldlichtungen, weiße Hühner und farbige Eier. Hatten wir das nicht schon mal? Die fröhliche Osterhasenschule lässt grüßen. Liegt man mit der Annahme so ganz falsch, dass sich Autoren schwer tun, bei diesem Sujet wirklich Neues zu generieren?

Wenn schon thematisch kein Knüller, so hebt sich dennoch immer wieder ein Buch in der alljährlichen Osterauslage ab, das durch außergewöhnliche Bildkunst oder besondere Sprachgestaltung auffällt. So eines ist dieses Jahr “Wenn Hasen gute Laune haben” von Axel Scheffler (einer der erfolgreichsten Bilderbuchillustratoren)

und Franz Wittkamp (Schöpfer von wunderbaren Kinder-Gedichten).

Beschwingt, gelenkig und sonnigen Gemüts turnen da – oder besser: kaspern da Hasenkinder im Grünen herum. Zum witzigen Bild passt der locker-luftig-melodiöse Text: “Manchmal beim Spazierengehen / an besonders schönen Tagen / kann man Hasenkinder sehen, / wenn sie Purzelbäume schlagen.”

Okay, Text und Bild erfinden hier den Weltenlauf nicht neu. Vielleicht reicht es aber auch schon, den Leser und Betrachter einfach nur zu verzaubern und in gute Stimmung zu versetzen. Einer solch wohltuenden Leistung eines Buches darf man durchaus Achtung entgegenbringen. Bücher, die das vermögen, tragen bei zur psychischen Gesundheit, sind Wellness für Herz und Seele.

Wer Kinder im Grundschulalter hat, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Es eignet sich zum Vorlesen, zum gemeinsamen Lesen, aber auch zum Allein-Lesen von der 2. Klasse an.