Pflegeheim und eine Sekundarklasse von heute, Demenz und laxer, schnörkelloser Jugendjargon. Wo ist da die geistige Brücke? Kann man aus so einen Plot einen schicken Jugendroman basteln? Man kann, dieses Buch ist der Beweis: ausgesprochen unterhaltsam, witzig und mit Tiefgang. Ein Zufall?
Keineswegs. Stepha Quitterer, die Autorin, kann auf einen mächtigen Vorläufer verweisen: auf Nicky Singers “Norbert Nobody oder das Versprechen” (USA, 2002). Zeitgleich mit “Weltverbessern für Anfänger” erschien ein weiterer Jugendroman zu selbigem Grundthema: “Irgendwo ist immer Süden” von Marianne Kaurin (Norwegen). Allesamt sind sie Leuchttürme ihres Genres: Bücher, die sehr überzeugend die Begegnung zweier Extreme als Win-Win-Deal für beide darstellen.
Stepha Quitterer übertrifft jedoch die oben genannten Bücher an schnoddriger und flapsiger Jugendsprache. Ihre Kreativität schießt impulsiv ein Wort-Feuerwerk um das andere ab. Man kann ihr geradezu beim Erfinden neuer Wörter zusehen.
Dank des gut betuchten Geschäftsmannes Kanauer ist Minnas Schule in der Lage, jedes Jahr einen Wettbewerb auszuloben. Der Attraktivität des Hauptpreis können sich die Schüler nicht entziehen, sie beteiligen sich mit Begeisterung. Dieses Jahr darf sich die Siegerklasse auf eine Klassenfahrt nach Tallinn freuen. Kanauers Thema heißt “Weltverbessern für Anfänger”. Darunter lässt sich eine Unmenge verstehen. Dass Minnas Klasse, die 8b, als besonders schwierige Klasse wegen einer Reihe von zur Hysterie neigenden Egoisten, unangenehmen Cliquen, Wichtigtuern mit rechthaberischem Getöse gilt, macht die Sache nicht leichter.
Beharrlich, agil und diplomatisch versucht Minna, die eine einschneidende Erfahrung gemacht hat, als sie kürzlich ihre Oma im Pflegeheim besuchte, ihre Mitschüler zu bewegen, “Weltverbessern” als “konsequentes Besuchen von alten Menschen in einer solchen Einrichtung” zu verstehen.
Minnas Aufgabe erweist sich alles andere als leicht. Und doch gelingt es ihr, Schritt für Schritt jeden Einzelnen ihrer Klasse mitzunehmen. Eine umso größere Leistung, als die Erfahrungen im Heim selbst weiß Gott nicht immer nur angenehm sind. Aber irgendwie finden ihre Mitschüler so nach und nach Gefallen an diesen Besuchen.
Nicht nur das, das eigentliche Wunder findet innerhalb der Klassengemeinschaft statt. In der anfangs heillos zerstrittenen Gruppe findet – o Wunder! – ein gruppendynamischer Wandel zum Positiven statt. Man sieht auf einmal die Qualitäten des anderen und entdeckt den Wert des Miteinanders.
Gerade diese Erkenntnis, zu der Stepha Quitterer ihre jungen Leser führt, macht den eigentlichen Wert dieses Buches aus. Die konkrete Aktion geht einher mit einer geistigen Entwicklung. Das dauert, es gibt Rückschläge und Enttäuschungen, aber es geht beharrlich vorwärts, die Richtung ist angezeigt. Da können noch so viele Scherze, Kalauer und Witze links und rechts davon gemacht werden, das Ziel steht allen bald klar vor Augen. Okay, die kostenlose Klassenfahrt spielt auch eine Rolle, aber die Einsicht, dass ihr Einsatz bei den alten Menschen unendlich sinnvoll ist, wächst stetig. Dass am Ende die Reise nach Tallinn gewonnen wird, wird als schön empfunden, aber so ganz entscheidend ist sie nicht mehr.
Stepha Quitterer verschafft sich mit diesem Erstlingswerk einen erstaunlich kräftigen Eintritt in die Phalanx der deutschen Kinder- und Jugendschriftsteller. Sie hat Sprache, Eigenheiten und Gefühlswelten der heutigen Jugendlichen sicher im Blick, bleibt dabei aber nicht stehen, sondern zeigt Wege der Orientierung auf.
Die Autorin steht erst am Anfang ihrer Karriere. Man traut ihr gerne zu, dass sie bei ihrem nächsten Buch Kleinigkeiten verändert, wie die manchmal überlangen Sätze, die zu häufigen neuen Wortschöpfungen, die zu vielen Metaphern und Eigenschaftswörter, vielleicht auch so manchen Ausdruck aus dem Bereich der Fäkalsprache oder – was den Umfang des Buches betrifft – sich kürzer fasst.
Wir wünschen der niederbayerischen Autorin alles Gute für die Zukunft. Geschick und Können hat sie mit diesem Buch bewiesen, das Glück steht ihr hoffentlich bei.
Die Buchbesprechung erschien in der Passauer Neuen Presse vom 18. Mai 2020.