Adventures Girls: 14 Rebellische Frauen erobern die Welt

“Adventure Girls: 14 rebellische Frauen erobern die Welt” 
von Kari Herbert (Autor), Frank Sievers (Übersetzer)
Verlag: C.H.Beck
ISBN: 9783406764462

Abenteuer- und Entdeckungsreisen galten über viele Jahrhunderte hinweg als Männerdomäne. Entsprechend dem damaligen Frauenbild sah man diese lieber mit Kindern, Küche und Kirche verbunden. Und dennoch gab es sie, die tollkühnen, clevere Abenteuerinnen. Bevor sie in allen Ecken der Welt auf Entdeckungsfahrt gehen konnten, mussten sie jedoch oftmals erst mit gesellschaftlichen Konventionen brechen. 

Maria Sibylla Merian aus Deutschland startete im Jahre 1699 zu einer zweijährigen Reise nach Surinam in Südamerika – den Käfern und Schmetterlingen zuliebe. In jener Zeit nahm man an, dass Insekten aus toten Tieren oder Dung wuchsen. Für solche Ansichten hatte Maria Sibylla Merian nur ein Lächeln übrig. Schon als junges Mädchen war sie überzeugt, dass Raupen etwas mit Schmetterlingen zu tun haben mussten. Also erforschte sie deren Metamorphosen und zeichnete sie auf. Für ihre Arbeiten erwies sich das tropische Klima als ideal. Heute gilt Maria S. Merian als eine Pionierin der Ökologie. 

Als Jeanne Baret aus Frankreich das Forschungsschiff betrat, stellte sie sich als Monsieur Jean Baret, Assistent von Philibert Commerson, dem Naturforscher, vor. Nie wäre ihr die Teilnahme als Frau erlaubt worden, obwohl ihr Wissen rund um Wurzeln, Blüten, Beeren und Blättern gigantisch war. Auf Mauritius verabschiedeten sich die beiden von der Expedition, um die nächsten fünf Jahre unbekannten Pflanzenarten zu widmen. Ihre Sammlung betrug am Ende mehr als 6000 Stück.

Vierzehn Lebensgeschichten von Frauen rund um den Globus, die Männern in nichts nachstanden.  Darunter Wüstenforscherinnen, eine Ozeanforscherin, und eine Polarreisende. Zusammen mit den stimmungsvoll gezeichneten Bildern und alten Schwarz-weiß-Fotos wird diesen Pionierinnen hier ein würdiges Denkmal gesetzt. Dass die Frauen in der Mehrzahl aus anglophonen Ländern stammen, hat wohl mit Kari Herbert, der englischen Autorin, zu tun.

Lesealter: 10 Jahre und älter
Daumen: 5 

Bergkristall

“Bergkristall – Der Heilige Abend”
Von Adalbert Stifter (Autor), Anita Sansone Cotti (Autor, nach Adalbert Stifter), Maja Dusíková (Illustratorin)
Verlag: Bohem
ISBN: 9783855815807

Den Weg vom Gebirgsort Gschaid zu ihren Großeltern nach Millsdorf kennen Konrad und Sanna. Dorthin schickt sie ihre Mutter am Heiligen Abend. Auf dem Heimweg geraten sie in einen Schneesturm. Die Nacht in einer Höhle folgt. Als die Gschaider und Millsdorfer, die einander nicht wirklich zugetan waren, sie finden, freut man sich gemeinsam. Eingebettet in Schilderungen von Landschaft und Tradition, typisch Stifter eben. In diesem Buch jedoch nur der dürre Handlungsstrang; mit Illustrationen in der herkömmliche Art.  

Lesealter: 10-12 Jahre
Daumen: 4

Quirinus, der Engel und das Christkind

“Quirinius, der Engel und das Christkind”
Von Anna Maria Praßler (Autorin), Ulrike Bauer (Illustratorin)
Verlag: Südpol
ISBN: 9783965941113

Alle Jahre wieder! Von den Weihnachtsbuch-Machern wird nahezu Unmögliches abverlangt. Ist doch jeder potentielle Kunde von klein an schon mit der Originalstory aufgewachsen. Bewährt haben sich hier die fiktiven Randgeschichten rund um die weltverändernde Wanderung zweier Menschen von Nazareth nach Bethlehem vor ca. 2000 Jahren.  

Den Jungen mit Namen Quirinus gab es so nicht, seine Geschichte aber vermag Herzen zu erwärmen. Sein Vater, ein römischer Beamter, wurde nach Galiläa geschickt, um bei der Volkszählung, die sich Kaiser Augustus wünschte, mitzuhelfen. Quirinus hat viel Zeit, so streunt er in den Hügeln von Bethlehem herum. Aufgeschlossen für alles Neue findet er eine Höhle mit einem Ochsen. Ohne lange zu überlegen freundet er sich mit dem riesigen Tier an. 

Des Weiteren begegnet er einem Kind mit kleinen Flügeln, das von einem König erzählt, der in Kürze geboren werden wird. Quirinus muss mit sich ringen, diese Begegnung nicht als “Traum” abzutun. Sie war real, ohne Zweifel! Seinen Eltern braucht er damit aber nicht zu kommen, für sie wäre das Humbug, genauso wie die Geschichte der Einheimischen, die von einem König wissen wollen, auf den alle warten. Quirinus aber, eingezwängt zwischen realer und spiritueller Welt, findet die geheimnisvolle Geschichte anregend. Und nähert sich intuitiv den religiösen Vorstellungen der einheimischen Hirten und Handwerker. 

Schließlich erfährt seine Aufmerksamheit einen krönenden Abschluss: die königliche Geburt findet in “seiner” Lieblingshöhle statt. 

Diese feine Geschichte kann nur einer Autorin entspringen, der ein optimales Gespür für Kinder zu eigen ist. Anna Maria Praßler erzählt liebevoll, unaufgeregt, mit viel Fantasie. Auf derselben Wellenlänge agiert Ulrike Baier, die Illustratorin. Ihre gedämpften, impressionistisch-verschwommenen Pastell-Töne passen sich dem Erzählduktus an. Wichtiger als die Genauigkeit in den Details ist für sie die Stimmung, in der sich das Geschehen vollzieht. Quirinus lernt eine neue Realität kennen, zu der seine Eltern keinen Zugang haben.

Lesealter: Ab 7 Jahren
Daumen: 5

Vom Engel und dem Heiligen Kind

“Vom Engel und dem heiligen Kind: Maria erzählt die Weihnachtsgeschichte”
Von Willeke Brouwer (Autor, Illustrator)
Verlag: Herder
ISBN: 9783451715822

Seit rund 2000 Jahren lassen sich die Menschen weltweit von der biblischen Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1–20) verzaubern. In diesem Text steckt tatsächlich Power, er lässt sich drehen und wenden, wird aber hierbei nicht zerstört. Als Beispiel sei Ludwig Thomas “Heilige Nacht” genannt, die sich perfekt in den bayerisch-bäuerlichen Alltag einfügt und betont auf das Nebeneinander von Armut und Reichtum hinweist. 

In diesem Buch findet sich eine kluge Variante.

Die niederländische Autorin Willeke Brouwer interessiert sich für die Wirkungen auf die Psyche von Maria sowie die sozial-gesellschaftlichen Folgen ihres Handelns. Mit diesem Ansatz kommt sie aktuellen Themen unserer Zeit sehr nahe. 

Maria, die junge Frau, wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Ihr ganzes Interesse galt – hoffend und mit großer Vorfreude – der Verbindung mit Josef. Da hinein platzt nun der Besuch des Engels sowie seine Ankündigung, sie würde einen Sohn gebären, dessen Vater aber nicht Josef wäre. Maria zeigt sich diesem Ansinnen zunächst nicht gewachsen und vergrößert ihre Sorgen. Auch wenn sie aus den alten Schriften wusste, dass die Welt auf den Erlöser wartet, bot dies ihr kaum Entspannung. Eher griff die Angst um sich, ihr Leben könnte sich zu ihren Ungunsten verändern. Wie sollte sie das Josef erklären? Wie ihren Eltern? Wie würden die Nachbarn, Verwandte und Freunde auf das uneheliche Kind reagieren?

Plötzlich zeigt sich die altbekannte Geschichte voller Spannung, Kraft und Leidenschaft. Weder Süßlichkeit noch Hollywood-Kitsch, sondern die Beschreibung von echtem, tiefem Leben, bestehend aus Hoffnung, Freude und Leid. Aus dem Blickwinkel einer Frau erzählt, die mitten im kleinstädtischen Leben steht und hier weiterleben will. Da bekommt ihre Auszeit bei Elisabeth eine große, die Herbergssuche eine kleinere Bedeutung.

Willeke Brouwer verdient größte Anerkennung für ein beeindruckendes Buch. Sie stellt glaubwürdig und nachvollziehbar das reale Leben einer bescheidenen Frau dem eher abstrakt-göttlichen Eingriff gegenüber sowie die schrittweise Lösung aller Probleme des jungen Paares inmitten römischer Besatzung und dem zur Brutalität neigenden König von Kaisers Gnaden. 

Die Autorin entschied sich für eine Graphic Novel-Darstellungsform, wie man sie informativer und gefühlsbetonter kaum finden wird. Die schwarz-weiß Grafiken, die ohne Sprechblasen auskommen, verleihen dem Text in ihrer Schlichtheit und Unaufdringlichkeit hohe Glaubwürdigkeit ohne auf erlösende Heiterkeit verzichten zu müssen. Die Texte bewegen sich in großer Vielfalt zwischen sachlichen Infos, stillen Szenen des Nachdenkens und Ringens mit sich selbst, ruhigen Landschaftsschilderungen und den Gefühlsausbrüchen Marias.  

Die Weihnachtsgeschichte als Erlebnis: authentisch, informativ und gefühlsbetont. Ein Lese-Vergnügen!

Lesealter: ab 12 Jahren

Daumen: 5

Weihnachten im Stall

“Weihnachten im Stall”
von Astrid Lindgren (Autor), Harald Wiberg (Illustrator)
Verlag: Oetinger 
41. Auflage, erstmals erschienen 1961
ISBN: 9783789161322

Seit 1961 können Eltern statt der biblischen Weihnachtsgeschichte alternativ “Weihnachten im Stall” von A. Lindgren vorlesen. Beide schildern die Geschichte aus Lukas 2,1-20, doch welch ein Unterschied! Die eine ist Spannung, Emotion und barocke Lebensfreude pur, die zweite ein Versuch der Profanierung dieser Bibelstelle. Für religionsferne Menschen sicherlich von Vorteil, für die anderen eine blasse Verzichtsversion: keine Notwendigkeit zu wandern, keine Herbergssuche, keine Engelschöre, keine frohen Hirten. 

Lesealter: 7 Jahre
Daumen: 4