Ein Haus auf Rädern (2021)

“Ein Haus auf Rädern”
von Wolf J. Gruber
Atlantis Verlag 
ISBN: 9783715207896

Kinder auf der ganzen Welt träumen vom Bau eines eigenen Häuschens. Aus Brettern, Ästen, Schnee oder Decken, gerne auch in Iglu-, Tipi-, Baumhaus- oder Höhlenform. Hier fühlt man sich wohl und geborgen. Latent mag der Wunsch nach Rückkehr in den Mutterleib vorhanden sein. 

Die Idee für ein “Eigenheim” kommt vom etwa achtjährigen Emil. Bei der Suche nach einem passenden Bauplatz im Wald trifft er Tante Zach, die auch als Oma sehr gut durchgehen würde. Zum Glück, denn sie wundert sich nicht lange über Emils Wunsch, sondern schließt sich ihm konspirativ an. Mit List lenkt sie den Tiny-House-begeisterten Emil in ihre Scheune um. Beim Blick auf den alten Traktor, Wagen, Heuwender und Kartoffelernter kommt das Ideenkarussell des Jungen erst so richtig in Schwung. Tante Zach klettert auf den Anhänger und schlägt ein Haus auf Rädern vor. Emil beschäftigt sich in Gedanken bereits mit den Details: Ofen, Turm, Fenster, Farben. Und Tante Zach skizziert, zeichnet, ordnet, sortiert aus, fixiert. Dann notiert sie all die Dinge, die man hierfür braucht. Und wiederum startet das Ideen-Feuerwerk in Emil: Stahlträger, Latten, Bretter, Ofenrohr. In seiner Begeisterung vergibt er an Tante Zach das höchst Lob: “spitzenoberklasse”. Was für ein Wunder, sie brauchen nicht mal einzukaufen, alles ist im Schuppen irgendwie vorhanden. Und schon arbeiten beide wie elektrisiert. Mit Säge- und Bohrmaschine, Metermaß und Hammer. Tagelang, zum Sprechen ist kaum Zeit. Die gefährlichen Arbeiten übernimmt Tante Zach.

Kein Wunder, dass sich bald die Nachbarn einstellen und neugierig umsehen. Emil ist stolz und überglücklich. “Der Knaller aber kommt erst morgen”, meint Tante Zach. Da wird sie das mobile “Tiny House” an den Traktor anhängen und sie beide werden den schönsten Platz hierfür aussuchen.

Zusammen mit den großflächigen, kindgemäßen Illustrationen ein Power-Buch, das seine Wirkung bei Jungen und Mädchen nicht verfehlen dürfte. Zum Vor- und Selberlesen. Es reiht sich ein in die Galerie herrlicher Geschichten des Großeltern-Enkel-Genres, von dem es eine ganze Menge gibt: von “Der kleine Lord (Frances H. Burnett) über “Heidi” (Johanna Spyri) und “Opas Engel” (Jutta Bauer) bis hin zu “Großvater und die Wölfe” (Per Olov Enquist). Alles Beispiele für die gelungene Kommunikation zwischen Alt und Jung, bei der Erfahrung und Neugier, Wissen und Tatendrang, Zuhören und Verständnis im lebendigen Austausch stehen.  

Lesealter: 6-9 Jahre
Daumen: 5

Die Mondblume (2021)

“Die Mondblume” 
von Einar Turkowski (2021)
Verlag Gerstenberg
ISBN: 9783836960724

Was “Die Mondblume” wirklich ist, darüber lässt sich endlos streiten: Ein Buch? Ein Traum? Eine Fantasie? Auf jeden Fall ein Werk, das verzaubert, verzückt, gleichermaßen entspannt und anregt; ein Kunstwerk, das der Vollendung nahe kommt. Dass die Geschichte selbst sich den überwältigenden Zeichnungen in traditioneller Bleistifttechnik unterordnet, akzeptiert der Leser gerne. 

Ein Mann, eher seltsam als normal, lebt zurückgezogen auf einer kleinen Insel. An Besuchern ist ihm nicht so sehr gelegen, er hat ja seinen Garten, der ihm all das gibt, das er zum Leben braucht: eine Welt voll verschlungener Pfade, steiler Treppen, lauschiger Ecken sowie voll außergewöhnlicher Pflanzen. Raum und Stimmung für Meditation, Kommunikation mit der Natur und ästhetischen Erlebnissen. Der zuletzt sich selbst eingenistete Sprössling, deren Art sich in keinem Lexikon findet, fordert von diesem Mann all seine künstlerische Inspiration, seine Intelligenz und seine Geduld. Wochenlang zeigt sich keine Knospe, dann erscheint eine – riesig in ihrer Art, doch sie will partout nicht aufgehen. Ungewöhnlich alles an ihr, doch seelenverwandt mit dem Einsiedler. Man kann ihm nicht vorwerfen, Ribblestone, so sein Name, vernachlässige sie. Schließlich spricht er täglich mit ihr, trinkt seinen Tee in ihrer Nähe und spielt ihr heitere Theaterszenen vor. 

Aber was ihm nicht gelingen will, schafft eines romantischen Abends der Vollmond. Plötzlich ist sie da, die Ausnahme-Blüte. Da singen auch schon die Nachtvögel, die Glühwürmchen tanzen. Ribblestone ist in diesem Augenblick gefühlsmäßig, visuell und akustisch von Schönheit umgeben, die jeglichen Rahmen sprengt. Das Ergebnis sind Momente des Glücks. 

Poesie steckt nicht nur im Text, mehr noch in den Illustrationen: filigran, traumhaft, fantastisch. Die schwarz-weiß-Zeichnungen leuchten, als erschienen sie farbig. Kunst, die Schöngeister high macht.

Verwundert fragt man sich nur, warum dieses Buch, wie alle Bücher von Turkowski, im Kinder- und Jugendbuchsegment erscheint. Erwachsene, offen für alles Schöne, scheinen hier die geeignetere Zielgruppe zu sein. 

Lesealter: Ab 11 Jahren
Anzahl der Daumen: 4

Peter Wohllebens Lockruf an die Kinder

“Kommst du mit nach draußen?: Eine Entdeckungsreise durch Garten und Stadt”
Autor Peter Wohlleben
Oetinger Verlag
ISBN: 9783789121333

Keiner sorgt sich – so scheint es – mehr um den Wald, die Seelen-Landschaft der Deutschen, keiner sieht den Wald emotionaler, keiner bringt mehr neue Wald-Forschungsergebnisse den Menschen näher als Peter Wohlleben. 

Nach der Veröffentlichung des geheimen Baumlebens mit Wurzelinternet und Duft-Info-System nun also das naturferne Kindsein heute. Einmal mehr trifft er einen Nerv unserer Gesellschaft. Nur auf Mängel zu verweisen ist jedoch nicht seine Absicht. Er holt die Kinder ab, führt sie vors Haus – und damit ins Abenteuer.

 

Er fängt bei der Hauswand an und bittet sie, zu sehen, zu hören und zu riechen. Die Ritzen zwischen Wand und Dach gehören den Fledermäusen. Hier hängen sie und schlafen. Es sei denn, oben am Haus finden sich Öffnungen. So etwas empfinden die Flattertiere als Einladung zur Tagesruhe. Vielfältiger und größer an Zahl sind Spinnen, Käfer und Wespen als Ritzen- und Spaltenbewohner. Noch besser finden sich Algen zurecht, die sich ganz einfach an die Hauswand kleben. Tesafilm hält bei weitem nicht so gut.   

Die Natur wird mit jedem Schritt zu einem aufregenden Forschungslabor. Überall findet sich Leben. Selbst im Abwasser weist der Autor angepasste Tier- und Pflanzen-Überlebenskünstler nach. Spannend auch, wie kleine Tiere sich mit klugen Farben-Tricks das Überleben sichern oder wie Löwenzahn und Breitwegerich es schaffen, sich in Pflasterfugen wohl zu fühlen. Überlebenskunst schließt das richtige Verteidigungskonzept mit ein. Dazu wissen auch die Brennnesseln, noch mehr der Eisenhut. 

Entdeckendes Kennenlernen ist das eine, eigenständiges Tun das andere. Wer ein stabiles Schiffchen aus Rinde gebaut hat, das seinen Wassertest bestanden hat, weiß um die Freude, die die Natur zu geben vermag. 

Dieses Buch ist ein gigantischer Ideen- und Wissensfundus, zu dessen Anwendung die Natur rund um Haus und Wohnung genügt. So vielfältig, so einfach, so viele Glücksgefühle spendend. Zum Glück vermittelt der Weltverbesserer und Natur-Missionar Peter Wohlleben sein Wissen unterhaltsam, hochinteressant und anregend. 

Lesealter: 7-11 Jahre

Fernando Magellan: der Mann, der Gewürze suchte und die Kugelform der Erde bewies

Fernando Magellan: – einmal um die ganze Welt (Reihe: Kinder entdecken berühmte Leute)
von: Christine Schulz-Reiss (Autor), Klaus Ensikat (Illustrator)
Kindermann Verlag
ISBN: 9783934029798

Zum 500. Todestag des großen Seefahrers und Entdeckers 

Das späte 15. sowie das frühe 16. Jahrhundert muss eine spannende Zeit gewesen sein. 

Die Menschheit erschloss sich gerade Stück um Stück den Planeten – mit atemberaubenden Ergebnissen. Die Kugelform der Erde war zwar den Gebildeten bekannt, doch der “körperliche” Beweis fehlte. Genau die Stimmungslage für zupackende, smarte Typen wie Fernando Magellan. Ironie der Geschichte: Dieser Mann hatte partout diese Beweisführung nicht im Sinne. 

Das Verlangen nach feinen Gewürzen wuchs unaufhaltsam und Portugal, die ambitionierte Seefahrernation, sah sich prädestiniert, am lukrativen Handel beteiligt zu sein. So führten Magellans erste Reisen nach Indien und Malakka, dem damaligen Handelszentrum auf der malaiischen Halbinsel. Sieben harte, aber erfolgreiche Lern-Jahre für Magellan.

Den Top-Job seiner Karriere bot ihm jedoch der spanische König Carlos I. an. Als Generalkapitän einer Flotte von fünf Schiffen sollte er 1519 eine westliche Route zu den Molukkeninseln (bei Papua-Neuguinea) finden. Als die einfachen Matrosen von den abenteuerlichen Plänen erfuhren, fiel ihr Blick bereits auf die Küste Brasiliens. Gereizte Stimmung auch wegen der Überwinterung im kalten Patagonien. Auf dem Pazifik ließ der Wind, der die Segel füllen sollte, auf sich warten. Das Trinkwasser war bald eine brackige Brühe, der Schiffszwieback voller Maden und Würmern. Und der Skorbut forderte seinen Tribut.         

Dann aber tauchten Inseln auf. Und als Magellans Diener, ein Malaie, seine Muttersprache vernahm, regte sich Hoffnung. Das Sehnsuchtsziel – war greifbar nahe – und Magellan auf dem Zenit seines Ruhms. Doch Lapu-Lapu, Häuptling der kleinen Insel Mactan, weigerte sich, die Herrschaft des spanischen Königs anzuerkennen und sich taufen zu lassen. Das folgende militärische Gerangel kostete den Spaniern acht Tote, darunter Magellan.

Lediglich ein Schiff von der stolzen Flotte traf nach drei Jahren mit Gewürzen und 18 ausgezehrten Seeleuten in Spanien ein. Menschlich eine Tragödie, finanziell eine Pleite.

In edler Aufmachung erinnert dieses Buch an Magellans 500. Todestag. Bestechend die Illustrationen des Ausnahme-Künstlers Klaus Ensikat. Seine Zeichnungen gleichen detailreichen Wimmelbildern, in denen man sich verliert. Die Infos per Zeichenstift sind ästhetisch überwältigend und lassen dem Leser das Lebensgefühl jener Zeit spüren. 

Die Autorin erzählt in der Form des Abenteuerromans. Aufgrund ihrer Erfahrung in diesem Genre sowie der farbigen Biographie des Protagonisten gelingt ihr das recht gut. Allerdings fokussiert sie den Blick zu sehr auf die Schwierigkeiten Magellans, zu einer Würdigung seiner Leistung ist sie nicht bereit – armer Magellan! 

Nahezu klischeehaft weist die Autorin darauf hin, dass Priester mit an vorderster Front standen, um die Menschen auf die Schnelle katholisch zu machen. Die Geschichte von Malakka jedoch lehrt, dass der Missionstätigkeit der katholischen Kirche in diesem von Indien aus muslimisch geprägten Raum kaum Erfolg beschieden war. Die einzige Ausnahme bilden die Philippinen, was aber nicht auf Magellan zurückzuführen ist. 

Geeignet für Kinder von 10 – 12 Jahren 

Freunde, das können auch Fuchs und Maus sein

“Eine Maus namens Julian”
Joe Todd-Stanton (Autor und Illustrator) 
Verlag: Beltz & Gelberg
ISBN: 9783407758347

Julian, eine Maus, hatte alles, was man zu einem guten Leben braucht: eine schöne Wohnung, Gesundheit, genug zu essen und zu trinken. Streit gab es übrigens auch keinen, denn er lebte alleine. Und so wäre es auch weiter gegangen, wenn nicht eines Tages der Fuchs geplant hätte. Julian zu fressen. Dass er allerdings bei diesem Versuch im Fensterrahmen von Julians Wohnung jämmerlich hängen blieb – wer hatte das schon ahnen können! 

Eine nicht alltägliche Szene, unangenehm für beide. Aber wie so oft im Leben kommt es darauf an, was man aus einer Situation macht. Für Julian gab nur eine Möglichkeit: die ganze Nacht miteinander zu reden. Das gefiel auch dem Fuchs. 

Im Schein der Morgensonne gelang es Julian, den Fuchs zu befreien. Doch es war nicht mehr derselbe Fuchs, wie am Tag zuvor. Er hatte Julian als anregenden, sympathischen Gesprächspartner kennen und schätzen gelernt. Und als Julian kurze Zeit später im Anblick einer hungrigen Eule um sein Leben bangen musste, wurde er von demselben Fuchs gerettet, der ihn vor Kurzem noch hatte fressen wollen. Schließlich waren sie ja Freunde, und ein Freund lässt den anderen nicht im Stich. 

Aber Freunde sind nicht nur in Krisenzeiten zusammen, mit einem Freund zusammen kann man reden, Ideen austauschen, lachen, fröhlich sein. Oder sich gegenseitig einfach zum Essen einladen. Julian hatte in letzter Zeit so viel gelernt. 

Eine berührende, bezaubernde Fabel, in der das Alltagsleben von zwei Tieren durch ein seltsam-komisches Ereignis eine erfreuliche Wendung nimmt. Nicht dass sich alles von alleine ergibt, das eigene Zutun ist ebenso wichtig. Am Ende gewinnen beide. Ihre Freundschaft macht ihr Leben farbiger und angenehmer. 

Die märchenhaften Bilder füllen und erweitern den knappen Text zu einer Wimmel-Bildergeschichte. Exzellent auch zum Vorlesen geeignet, da aufgrund der Fülle der lebendigen, witzigen Illustrationen gleichsam ein Film-Comic-Streifen mitläuft. Ein Bilderbuch, das Unterhaltung, Freude und Bereicherung auf hohem Niveau vermittelt.

Lesealter: 5 – 7 Jahre